Von den Grundlagen und der sozialen Bestimmung der Kunst
Von Pierre-Joseph Proudhon
Ins Deutsche übertragen, eingeleitet und erläutert von Klaus Herding
Berlin: Wissenschaftsverlag V. Spiess, 1988 (Klassiker der Kunstsoziologie ; 3). Broschiert, 340 Seiten. ISBN 978-3891660201. Gebraucht: sehr gut erhaltenes Exemplar.
Beschreibung:
Proudhons historisches Verdienst liegt nicht zuletzt darin, dass er sich - wenn auch zuweilen verworren - in allen nur möglichen Richtungen seiner Zeit bewegt hat, weshalb er für Anarchismus und Liberalismus, für die Befreiung der Arbeiterklasse und für die bonapartistische Diktatur gleichermaßen in Anspruch genommen wurde. Diese vielseitige Orientierung hat zur Folge, dass man ihn, selbst in ein und derselben Schrift, kaum auf eine These festlegen kann. In dem hier vorliegenden Werk erweist er sich geradezu als Exeget des ganzen Abendlandes - möglichst umfassend sollte die Fülle der Vergangenheit in die noch unscharf umrissene Zukunftsvision eingebracht werden. Wer Proudhons ästhetische Absichten erforschen will, hat daher allen Anlass, sich bald mit Juvenals Satiren, bald mit Bossuets mystischen Schriften, bald mit Spurzheims Schädellehre oder mit Champollions ägyptischen Briefen zu befassen; er hat Philosophen, Kunst- und Musikhistoriker, Archäologen, Juristen oder Religionswissenschaftler um Rat zu fragen - nicht bei jeder Art von Ästhetik ist dies vonnöten.
Wir greifen in dieser Schrift Proudhon als einen Querdenker und Kompilator zugleich. Seinen Eklektizismus mag man rügen, doch verweist er, ebenso wie die Unklarheit vieler Begriffe, weniger auf einen persönlichen Mangel als auf die Not und Chance einer Zeit, der die festen Denksysteme zerbrachen. Mangel an Sensibilität (oder gar "Kunsthass") kann man ihm jedenfalls kaum unterstellen, und Geschmack sollte man einem Autor nicht absprechen, dem die Psalmen und Vergils Georgica die schönsten Gedichte bedeuteten. Auch schält sich bei aller historistischen Vielfalt ein fester Kern heraus: In keiner anderen Schrift tritt uns Proudhon als Utopist, als Idealist und als Positivist so deutlich entgegen.
"Von den Grundlagen und der sozialen Bestimmung der Kunst" - diese Schrift stellt trotz aller Anleihen bei der Philosophie keine philosophische Ästhetik, sondern ein unkonventionelles Stück Salonkritik dar, einen ernstzunehmenden Versuch, aus der allseits beschworenen "Dekadenz der Künste" einen Ausweg zu finden. Eben darum verdrängt auf weite Strecken der Ethiker den Ästhetiker; nicht umsonst galt Proudhon als einer der wenigen nicht korrumpierbaren Politiker seiner Zeit. Indes sind es nicht die moralischen Lehrsätze oder die politischen Doktrinen, sondern die konkreten kunsthistorischen und soziologischen Beobachtungen - gleichviel, ob man ihnen zustimmt oder nicht - welche die Lebendigkeit dieser Schrift ausmachen, in der die bildende Kunst einen selten hohen Rang einnimmt.
(Aus dem Vorwort des Herausgebers)
Vorwort des Herausgebers [9]
Vorwort zu diesem Band [11]
Einführung in Proudhons Kunsttheorie
von Klaus Herding [13]
- Proudhon als Kunstsoziologe - "Reaktionär und Utopist in einem?" [13]
- Alltag und Ideal [31]
- Gerechtigkeit durch Kunst? [41]
- Zur Struktur der "Grundlagen" [48]
- Zur Rezeption von Proudhons Kunsttheorie [51]
Zur vorliegenden Ausgabe [65]
Von den Grundlagen und der sozialen Bestimmung der Kunst
von Pierre-Joseph Proudhon [71]
Kapitel I
Das Grundproblem, aufgeworfen durch Courbets Versuche. Vom Widerspruch der Schulen und der Notwendigkeit einer Lösung [71]
Kapitel II
Vom Prinzip der Kunst oder der ästhetischen Fähigkeit des Menschen [81]
Kapitel III
Von Ideal. - Ziel und Definition der Kunst [89]
Kapitel IV
Historische Entwicklung. - Ägypten: Typische, symbolische, allegorische Kunst; Freiheit und kollektive Kraft in der Kunst [98]
Kapitel V
Griechenland: Kult der Form, idealistischer Götzendienst. - Zersetzung der Gesellschaft durch Kunst; Bildersturm als Reaktion [104]
Kapitel VI
Das Mittelalter: Asketischer Idealismus [111]
Kapitel VII
Die Renaissance: Die Rehabilitierung der Schönheit; zweideutiger Idealismus. Erneute Korruption [117]
Kapitel VIII
Die Reformation: Humanisierung der Kunst; Vorspiel einer ästhetischen Erneuerung [122]
Kapitel IX
Die Französische Revolution: Klassizisten und Romantiker [130]
Kapitel X
Verwirrung und Irrationalismus in der Kunst der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. David, Delacroix, Ingres, David d'Angers, Rüde, Léopold Robert, Horace Vernet [138]
Kapitel XI
Chenavards Auffassung über den Verfall der Kunst und den bevorstehenden Untergang der Menschheit. - Schwierigkeiten mit der Kunst des 19. Jahrhunderts. Entstehung der "realistischen" Schule aus dem allgemeinen Irrationalismus [162]
Kapitel XII
Welche Bezeichnungen sich die neue Schule zugelegt hat. - Untersuchung einiger Bilder Courbets, zunächst: Die Bauern von Flagey oder Die Rückkehr vom Markt [175]
Kapitel XIII
Fortsetzung: Die Spinnerin; Das Begräbnis zu Omans; Die Badenden [185]
Kapitel XIV
Der Charakter der Kunst in der eben beginnenden Periode: Definition der neuen Schule [194]
Kapitel XV
Bestätigung der kritischen Theorie. - Die Steinklopfer. Die Mädchen an der Seine [205]
Kapitel XVI
Über die Prostitution in der Kunst. - Venus und Psyche [212]
Kapitel XVII
Die Priester oder Die Rückkehr vom Pfarrkonvent [221]
Kapitel XVIII
Courbets Persönlichkeit. - Meine Bedenken [227]
Kapitel XIX
Die Schulen: Bewahrung und Fortschritt [234]
Kapitel XX
Göttliche und menschliche Schönheit [237]
Kapitel XXI
Bestätigung der kritischen Schule. - Einwände. - Persönlicher Entwurf [242]
Kapitel XXII
Das Verhältnis von Kunst und Gewissen [244]
Kapitel XXIII
Ästhetische Zeugnisse des Nationalbewusstseins. - Stadtbaukunst im modernen Paris [252]
Kapitel XXIV
Künstlersitten. - Einfache Ratschläge [261]
Kapitel XXV
Zusammenfassung [268]
Anmerkungen [273]
ANHANG:
- Textvariantenverzeichnis [311]
- Verzeichnis abgekürzt zitierter und weiterführender Literatur [317]
- Abkürzungen und Abbildungsnachweis [322]
- Abbildungen [323]
Diesen Artikel haben wir am 18.09.2011 in unseren Katalog aufgenommen.