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Einstein, Carl
Carl Einstein, geb.: 26. April 1885, Neuwied/Rhein; gest.: 5. Juli 1940, Boeil-Bézing (Basses-Pyrénées / Frankreich) durch Suizid. Libertärer Schriftsteller und Kunstkritiker.
Nach einer abgebrochenen Banklaufbahn im Badischen ging Carl Einstein 1904 nach Berlin, wo er sich in expressionistischen Zirkeln engagierte und 1912 mit dem Werk Bebuquin eine philosophisch-literarische Sensation auslöste. Parallel zur literarischen Arbeit arbeitete Einstein an zahlreichen kunstwissenschaftlichne Studien, in denen er sich als einer der ersten Wissenschaftler mit der "Kunst der Primitiven" und mit dem Kubismus, vor allem mit Georges Braque auseinandersetzte.
Nachdem Einstein 1928 nach Paris gezogen war, beschäftigte er sich zunehmend auch mit dem Surrealismus, insbesondere mit der Gruppe um Georges Bataille und Michel Leiris. Er schrieb für die englische avantgardistische Literaturzeitschrift "transition" und redigierte gemeinsam mit Bataille das ethnologisch-avantgardistische Magazin "Documents".
Daneben war er innerhalb der politischen Linken aktiv. Obwohl von Einstein nicht behauptet werden kann, dass er über Jahre hinweg ein zuverlässiger Anhänger einer bestimmten linken Gruppierung oder Partei gewesen sei, sind in seinen Aufzeichnungen nach Ansicht von Marianne Kröger, insgesamt größere ideologische Übereinstimmungen mit anarchistischen als mit anderen Prinzipien festzustellen. So mißt es der Kultur, Erziehung und Bildung eine wichtige Rolle und er setzt sich für das Primat der individuellen Freiheit ein, die bei ihm autonomes, verantwortliches Handeln und Selbstdisziplin bei gleichzeitiger Solidarität mit der Gemeinschaft umfasst. Nicht zuletzt erkennt man die Nähe Einsteins zu den libertären Ideen deutlich in seiner Forderung nach einem dialektischen Verhältnis von „direkter Aktion“ und theoretischer Reflexion.
Nach Auffassung von Marianne Kröger kann Einstein als linksradikaler Einzelgängerbetrachtet werden, der sich zu gegebenen Anlässen in soziale und politische Kämpfe einschaltete und sich dann darin auch exponierte. Darin lag seine Stärke: in brisanten politischen Augenblicken mit seinem vielfältigen Spektrum an Kompetenzen präsent zu sein und nützliche Funktionen zu übernehmen, an denen es mangelte. Seine Eigenschaften wie Eloquenz, Belesenheit, sein interdisziplinäres Wissen, die Sprachkenntnisse sowie sein politischer Scharfsinn erwiesen sich als wichtige Pluspunkte in diffizilen politischen Situationen. Unter solchen Umständen hat Einstein ein öffentliches Auftreten mit kompromisslos klaren Stellungnahmen, die durchaus eine eigene Gefährdung zur Folge hatten, nie gescheut. Dies trifft auf die Novemberrevolution ebenso zu wie auf sein offen proanarchistisches Engagement im Spanischen Bürgerkrieg.
Auf theoretischem Gebiet bestand Einsteins Beitrag innerhalb des anarchistischen Spektrums in Spanien zunächst im Hinweis auf die Funktion Spaniens als Generalprobe für die weiteren Kriegspläne der Nazis, besonders aber im Insistieren auf der Bedeutung der offensiven geistigen Konfrontation mit der NS-Ideologie, die eine Immunisierung der Bevölkerung gegenüber faschistischem Gedankengut bezwecken sollte. Davon abgesehen betonte Einstein weiterhin die emanzipatorische Funktion von Kunst und Literatur in einer freien Gesellschaft. Durch die in Spanien geäußerte Überzeugung, dass diese Bereiche in Zeiten des politischen Umbruchs zugunsten einer aktiven politischen Teilnahme durchaus auch einmal ihre Priorität verlieren könnten, unterschied sich Einstein von vielen anderen Intellektuellen, die eine eigene Zuständigkeit in den Kämpfen ihrer Zeit ablehnten und sich, davon unbeeindruckt, weiterhin ihrer literarischen und künstlerischen Tätigkeit widmeten, was durchaus auch ein aktuelles Problem darstellt.
Die enge Verknüpfung von Leben und Werk macht Einstein zu einer exemplarischen Persönlichkeit, deren Integrität, Mut und Konsequenz außerordentlich war und die es verdient, auch im libertären Spektrum erinnert zu werden.
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