Die wilden Schafe
Max und Siegfried Nacht. Zwei radikale, jüdische Existenzen.
Von Werner Portmann. Mit einem Vorwort von Siegbert Wolf
Münster: Unrast Verlag, 2008. Broschur, 176 Seiten. ISBN: 978-3897714557
Beschreibung:
Das Buch „Die wilden Schafe“ erinnert an zwei fast vergessene radikale jüdische Aktivisten und Theoretiker:
Siegfried und Max Nacht, die sich später Stephen Naft und Max Nomad nannten, gehören in der Geschichte der radikalen europäischen und amerikanisch/jüdischen ArbeiterInnenbewegung - und nicht nur dort - zu den interessantesten Figuren. Ihre Texte, teilweise unter Pseudonym geschrieben, sind Bestandteil eines radikalen, gesellschaftskritischen Diskurses geblieben, der sich gegen jede Art von Herrschaft und Totalitarismus wendet. Der Diskurs, der anhand ihrer Schriften, z.B. über Formen der ‚Direkten Aktion‘, geführt wurde und wird, findet aber ohne Kenntnis der eigentlichen Geschichte und der biographischen Hintergründe der Verfasser statt. Denn bis heute sind ihre spannenden Lebensgeschichten nicht aufgearbeitet worden. Das Buch ist ein erstmaliger Versuch, die Biographien von Max Nomad und Siegfried Nacht nachzuzeichnen. Es untersucht ihre Lebenswege, die von Buczacz, einem ostgalizischen Schtetl über Zürich, Paris und London nach New York führten und zeigt ihren praktischen und theoretischen Einfluss auf verschiedene Bewegungen.
Dabei wird dokumentiert, wie Siegfried Nacht im deutschen Sprachraum einen wesentlichen Beitrag leistete zur Bekanntmachung und Verbreitung des revolutionären Syndikalismus, inspiriert von der spanischen und französischen syndikalistischen ArbeiterInnenbewegung. Ebenso wird die damit verbundene antimilitaristische Propaganda in verschiedenen Ländern untersucht.
Das Buch thematisiert Siegfried Nachts Freundschaft mit Rudolf Rocker und dessen Einfluss auf ihn. Ebenso seine Rolle im Leben und Werk von Max Nettlau, dem er - wie auch sein Bruder Max - wichtige existentielle Hilfe leistete. Daneben wird Max Nachts Mitwirken bei der Verbreitung anarchistischer Ideen in Galizien und seine zeitweilige Arbeit im russischen Untergrund beleuchtet. Weiter geht das Buch auf Max Nachts, in späten Jahren entwickelten, "skeptischen Anarchismus" ein, der sich aus den Ideen des polnisch-russischen Revolutionärs Jan Waclav Makhaïski speist. Noch immer könnte dieser "skeptische Anarchismus" ein wichtiger Diskussionsbeitrag für alle diejenigen sein, die nicht ausschliessen, dass die AnarchistInnen von heute die ChefInnen von morgen sein könnten und für die es keine heiligen Kühe der Kritik und Selbstkritik gibt. Max Nachts manchmal polemische Beurteilung des Anarchismus, gehört trotz aller Überzeichnungen bis heute zum Besten, Ehrlichsten und Radikalsten, was gegen den Anarchismus geschrieben wurde und zeugt von einer gewissen Hassliebe von einem, der sich längst nicht mehr als Anarchist verstand, aber im Innersten nie die Hoffnung auf eine herrschaftslose Gesellschaft aufgegeben hat.
Das Buch ist nicht zuletzt ein Versuch, sich den Beiden anhand ihrer jüdischen Identität oder Nicht-Identität zu nähern. Zweier Juden ohne Gott, die sich immer als Assimilisten betrachtet haben, die auf und in die jüdische Kultur keine grosse Hoffnung mehr setzten und trotzdem lebenslang im Disput mit dieser Kultur und ihren ExponentInnen standen und nie aufhörten, sich in ihrem Umfeld zu bewegen.
Vorwort von Siegbert Wolf
Danksagung
- Die wilden Schafe
- Jugend zwischen altem und neuem Glauben
- Der Doktor aus Wien
- Der rote Doktor
- Wie der Sozialismus ins Schtetl kam
- Kindheit sozialistischer Rebellen
- Der Buczaczer Arbeiterbildungsverein
- Wiener Studienjahre
- Wie der Anarchismus nach Buczacz kam
- Kampf der Sozialismen im Schtetl
- Berliner Luft und Pariser Erleuchtung
- Die Londoner Generalstreik-Verkünder
- Umschau nach neuen Welten
- Ein vermeintlicher Königsmeuchler auf Nordafrikareise
- Die beschlagnahmte Freie Welt und die erzwungene Vagabondage
- Der Weckruf
- Amsterdam, Paris, Zürich - Prag oder Das Leben eines Wanderredakteurs
- Zürich in Aufruhr
- Herumschweifende Rebellen oder Nowhere at home
- Neue Ideologien oder Wer ist der Radikalste im Land?
- Gewaltige Worte
- Freund und Feind
- (Bildseiten)
- Vom revolutionären Syndikalismus zum Anarchosyndikalismus
- Die Wege trennen sich
- Die Spitzelaffäre oder Arrivederci Roma
- Over the sea
- Von Rocker und Roller
- Nomade der Gedanken
- Lebensabend im neuen Anarchismus
- Epilog oder Das Judentum von Zweien
Anhang:
- Abkürzungen
- Bibliographie I
- Bibliographie II
- Literaturverzeichnis
- Personenregister
Diesen Artikel haben wir am 14.12.2010 in unseren Katalog aufgenommen.