Essenz der Anarchie
Die Parlamentarismuskritik des libertären Sozialismus
Herausgegeben von Gerhard Senft
Wien: Promedia Verlag, 2006 (= Edition Linke Klassiker). Broschur, 176 Seiten, ISBN 978-3853712535.
Beschreibung:
Nicht selten wird der Anarchismus als "Kinderkrankheit" der Arbeiterbewegung oder als ein Produkt kleinbürgerlichen Denkens betrachtet. Lenin war überzeugt, dass Anarchismus "außer allgemeinen Phrasen gegen die Ausbeutung" nichts zu bieten habe. Trotzki verortete den Anarchismus auf dem "Misthaufen der Geschichte". Stalin bewertete die Thesen der AnarchistInnen als "ein Resultat ihrer Denkschwäche". Als eigenständige politische Strömung, als Kulturbewegung, als work in progress ist der Anarchismus damit jedoch eindeutig unterschätzt. Im Zentrum seines programmatischen Wirkens steht der gedankliche Ansatz, die Vielzahl der Verstrickungen des Menschen in Unterwerfungsordnungen und in Unterwerfungsideologien aufzulösen.
Der Anarchismus ist als ein facettenreiches Phänomen zu begreifen, das aufklärerisch und romantisch zugleich auftritt. Er vereint Elemente des Individualismus sowie des Sozialismus in sich. Die unterschiedlichen Richtungen innerhalb des Anarchismus kennen einen gemeinsamen Angriffspunkt: den Parlamentarismus.
Neben dem Antimilitarismus bietet diese Parlamentarismuskritik der Anarchisten die meisten Anknüpfungspunkte an Problemfelder der heutigen Gesellschaft. Allen repräsentativen Umfragen zufolge nimmt in den Demokratien westlichen Musters das Misstrauen gegenüber den politischen Eliten zu. Gemäß dem Motto "Wozu noch wählen?" bleibt eine steigende Zahl von wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern den Urnengängen fern. Das Stimmvieh reagiert mittlerweile störrisch, wenn es, angeschlossen an die großen kulturindustriellen Illusionsmaschinen, als leicht manipulierbares Verschubmaterial für politische Wahlgänge missbraucht werden soll.
Die "libertäre Demokratie", wie sie der Anarchismus vorschlägt, begreift sich als Antithese zur parlamentarischen Demokratie. Im Anarchismus sollen alle zentralistisch-hierarchischen Strukturen aus den politischen, sozialen und ökonomischen Organisationsformen eliminiert, jede im Rahmen gesellschaftlicher Prozesse wirkende etatistische oder technokratische Autorität soll ausgeschaltet werden. Politik und Okonomie werden nach "libertärer Theorie" von den BürgerInnen in Selbstverwaltung übernommen, indem möglichst alle gesellschaftlichen Aufgaben an möglichst alle Beteiligten delegiert werden. Die sich selbst gestaltende Gesellschaft wird vor einer neuen Autoritätsbildung geschützt, indem die politische und die ökonomische Administration durch Wahl eingesetzt wird und danach der Möglichkeit einer Abwahl ausgesetzt bleibt.
Gerhard Senft
- Glanz und Elend des Parlamentarismus
Louise Michel
- Einleitung
- Warum ich Anarchistin wurde
Piotr A. Kropotkin
- Einleitung
- Die repräsentative oder parlamentarische Regierung
Elisée Reclus
- Einleitung
- Die Anarchie und das allgemeine Wahlrecht
Raphael Friedeberg
- Einleitung
- Parlamentarismus und Generalstreik
Pierre Ramus (Rudolf Grossmann)
- Einleitung
- Die Lüge des Parlamentarismus
Erich Mühsam
- Einleitung
- Der Humbug der Wahlen
Robert Bodanksky
- Einleitung
- Der Zirkus ist geheizt!
Rudolf Rocker
- Einleitung
- Parlamentarismus und Arbeiterbewegung
Helmut Rüdiger
- Einleitung
- Sozialismus und Parlamentarismus
Anhang
- Glossar
- Quellen
- Grundlagen der biographischen Angaben
Diesen Artikel haben wir am 03.05.2010 in unseren Katalog aufgenommen.