P.-J. Proudhon - Ausgewählte Texte
Herausgegeben von Thilo Ramm
Stuttgart: K. F. Koehler Verlag, 1963. Hardcover, XXXIV, 363 Seiten. Gebraucht, leichte Gebrauchsspuren; Schutzumschlag weist Gebrauchsspuren auf, Einband tadellos, Seiten altersbedingt leicht nachgedunkelt.
Beschreibung:
Eigentum ist Diebstahl!
Gott ist das Übel!
Die beste Regierung ist die Anarchie!
Mit derart, wie er selbst einmal sagte, »fürchterlichen Formeln« hat Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865) seine Zeitgenossen zutiefst schockiert. Sie öffneten gleichzeitig Missverständnissen Tür und Tor, forderten regen Widerspruch heraus und waren nicht zuletzt auch der Anlaß, daß über ihnen das eigentliche Werk Proudhons, das er in zahlreichen Schriften, Reden, Briefen und Tagebüchern niederlegte, mehr und mehr in den Hintergrund geriet. Daneben waren es in Deutschland vor allem Karl Marx, Friedrich Engels und deren Anhänger, die den französischen Sozialisten systematisch und mit Erfolg bekämpften. Schließlich tat der Nationalsozialismus ein Übriges, um Proudhon vollends in Vergessenheit geraten zu lassen. Somit harrte Proudhon geradezu seiner Wieder- oder, für Deutschland besser, seiner Neuentdeckung, denn auch die früheren Editionen Proudhons haben sich vor allem auf die Frühschriften konzentriert.
Die vorliegende Auswahl nun ist so konzipiert, dass sie alle Entwicklungsstufen Proudhons berücksichtigt. Das Neue an ihr ist die Darstellung des späten Proudhon. Sie ist insofern umfassend, als sie die für die Beurteilung Proudhons entscheidende Diskussion ermöglicht, ob und inwieweit dieser seine ursprünglichen Ansätze wieder aufgenommen und gewandelt hat. So ist ein Werk entstanden, das dem Fachkenner neue Texte und somit neue Aspekte bietet, dem Laien jedoch die Gedankenwelt eines Mannes erschließt, der zu den bedeutendsten französischen Denkern und allgemein zu den großen Theoretikern der Soziologie und der Wissenschaft von der Politik gehört.
VORWORT [V]
EINLEITUNG [XIII]
WAS IST DAS EIGENTUM? [l]
Erste Denkschrift
Untersuchungen über den Ursprung und die Grundlagen des Rechts und der Herrschaft
Erstes Kapitel: Methode dieses Werkes -Was ist Revolution? [l]
Zweites Kapitel: Über das Eigentum als Naturrecht - Ober Okkupation und bürgerlichen Besitz als ursächliche Begründungen [26]
§ 1 Über das Eigentum als Naturrecht [28]
§ 2 Über die Okkupation als Begründung des Eigentums [36]
§ 3 Über das bürgerliche Gesetz als Begründung und Heiligung Des Eigentums [50]
Drittes Kapitel: Die Arbeit als ursächliche Begründung des Eigentumsrechts [62]
§ 1 Es kann keine Aneignung des Erdbodens geben [65]
§ 2 Die allgemeine Zustimmung begründet nicht das Recht des Eigentums [70]
§ 3 Durch Verjährung kann das Eigentum niemals erworben werden [71]
§ 4 Von der Arbeit - Die Arbeit an sich gibt keine Macht, sich die Sachen der Natur anzueignen [79]
§ 5 Die Arbeit führt zur Gleichheit des Eigentums [84]
§ 6 In der Gesellschaft sind alle Arbeitslöhne gleich [93]
§ 7 Die Ungleichheit der Fähigkeiten ist die notwendige Bedingung der Gleichheit des Vermögens [99]
§ 8 Im Zustande der Gerechtigkeit zerstört die Arbeit das Eigentum [116]
REVOLUTIONÄRES PROGRAMM [120]
An die Wähler des Seine-Bezirks [120]
KLEINER POLITISCHER KATECHISMUS [155]
Erste Unterrichtsstunde: Ober die soziale Gewalt, ihrem Wesen nach betrachtet [155]
Zweite Unterrichtsstunde: Über die Aneignung der Kollektivkräfte und die Korruption der sozialen Gewalt [163]
Dritte Unterrichtsstunde: Ober die Regierungsformen und ihre Entwicklung in der heidnisch-christlichen Periode [170]
Vierte Unterrichtsstunde: Die Begründung der Gesellschaftsgewalt durch die Revolution [176]
Fünfte Unterrichtsstunde: Tagesfragen [184]
ÜBER DAS FÖDERATIVE PRINZIP UND DIE NOTWENDIGKEIT, DIE PARTEI DER REVOLUTION WIEDERHERZUSTELLEN [193]
Erster Teil: Über das Prinzip der Föderation
Kapitel I: Politischer Dualismus - Autorität und Freiheit: Gegensatz und Verwandtschaft der beiden Begriffe [193]
Kapitel II: Die a-priori-Konzeption der politischen Ordnung: Herrschaft der Autorität, Herrschaft der Freiheit [196]
Kapitel III: Regierungsformen [200]
Kapitel IV: Der Ausgleich zwischen den Prinzipien: Der Ursprung der Widersprüche in der Politik [206]
Kapitel V: Faktische Regierungen: Soziale Auflösung [211]
Kapitel VI: Die Formulierung des politischen Problems - Das Lösungsprinzip [218]
Kapitel VII: Das Freiwerden der Idee der Föderation [224]
Kapitel VIII: Die fortschrittliche Verfassung [232]
Kapitel IX: Die Säumnis der Föderationen: Die Gründe ihres Aufschubs [239]
Kapitel X: Der politische Idealismus: Die Wirksamkeit der föderativen Garantie [247]
Kapitel XI: Die wirtschaftliche Sanktion: Die landwirtschaftlich-industrielle Föderation [256]
THEORIE DES EIGENTUMS [265]
Kapitel VI: Die neue Theorie: daß die Motive, mithin die Legitimität des Eigentums nicht in seinem Prinzip oder Ursprung, sondern in seinem Zweck gesucht werden müssen. Darlegung dieser Motive [265]
§ l Ober die Notwendigkeit, nach der Organisation des Staates ein Gegengewicht gegen ihn in der Freiheit eines jeden Bürgers zu schaffen. Über den föderalistischen und republikanischen Charakter des Eigentums. Beobachtungen über den Wahlzensus und die Enteignung [268]
§ 2 Verzicht auf jedes Besitz, Produktion, Umlauf und Güterverbrauch reglementierende Gesetz. Analogien zur Liebe und zur Kunst. Mobilisierung der Immobilie. Charakter des wahren Eigentümers [284]
Kapitel VII: Herstellung des Gleichgewichts des Eigentums - Garantiesystem [296]
§ l Einwirkung des Eigentums auf sich selbst [299]
§2 Garantiesystem; Einfluß der Institutionen [301]
Kapitel VIII: Rechtfertigung der Kritik des Verfassers [314]
Kapitel IX: Zusammenfassung dieses Buches [328]
Aus dem Vorwort des Herausgebers
Wenn zum ersten Mal in Deutschland eine größere Proudhon-Auswahl vorgelegt wird, so bedarf ein solches Unternehmen in dieser Zeit keiner Rechtfertigung: Proudhon ist der Theoretiker, der dem derzeitigen Gesellschafts- und Staatsbewußtsein Westdeutschlands wohl am meisten entspricht. Er ist der Theoretiker des sozial gebundenen Eigentums und der Eigentumsstreuung, der der Institution des Eigentums als Sicherung gegen die politische Gewalt die letzte Legitimation verschafft hat. Er ist der Theoretiker des Föderalismus und der Gruppe. Umgekehrt ist vielmehr zu fragen, weshalb nicht schon längst eine solche Auswahl veranstaltet worden ist. Der große französische Denker, der zu Recht als einer der bedeutendsten Vertreter des Anarchismus angesehen wird, ist in Deutschland in der Reaktionsperiode nach 1848/49 teils in Vergessenheit geraten, teils sind er und seine Anhänger in Deutschland, unter denen besonders Arthur Mülberger und Gustav Landauer zu erwähnen sind, von Karl Marx, Friedrich Engels und den Marxisten systematisch und mit Erfolg bekämpft worden, bis schließlich der Nationalsozialismus allen theoretischen Auseinandersetzungen ein Ende bereitet hat.
Diese politisch-theoretischen Kämpfe bildeten allerdings nicht den einzigen Grund dafür, daß Proudhon in Deutschland nicht das Ansehen erlangt hat wie in Frankreich, in dessen Philosophie er mit Saint-Simon und Comte etwa den Platz einnimmt, der in Deutschland Kant und Hegel zukommt. Proudhon stand sich vielleicht selbst am meisten im Wege: durch seine provokatorisch-geistreichen Formulierungen und durch den Umfang seines Werks. Wie er selbst schreibt, hat er "fürchterliche Formeln" in die Gesellschaft geworfen: "Eigentum ist Diebstahl! Gott ist das Übel! Die beste Regierung ist die Anarchie!" Mit ihnen hat er alles getan, um mißverstanden zu werden. Denn an sie hielt man sich und nicht an die etwa sechzig Bände Schriften, Reden, Briefe und Tagebücher, die ein minutiöses Bild seines Wollens und Wirkens enthalten und noch immer der theoretischen Aufarbeitung harren. Ihre Lektüre ist zudem nicht immer einfach. Proudhon ist zwar ein Meister des Wortes, doch spricht er selbst von seinem "unglücklichen Stil": "Ohne daß ich es will, werden unter meiner Feder die Dinge stärker, akzentuieren sich und streiten miteinander, so daß sie die ängstlichen Gemüter schrecken." Proudhon übertreibt in seinen brillanten Formulierungen, ergeht sich oft in Spitzfindigkeiten und schwelgt förmlich in der Polemik. Ein solches Feuerwerk des Geistes und nicht zuletzt auch die Anknüpfung an tagespolitische Ereignisse ermüden und erschweren zugleich eine Auswahl aus seinem Werke, die mehr sein will als eine Zusammenstellung kurzer Auszüge.
Die vorliegende Auswahl beschränkt sich auf die zentrale Problematik von Eigentum und Staat. Sie ist bemüht, in doppelter Weise einen Querschnitt durch Proudhons Schaffen zu geben: Sie berücksichtigt alle Lebensabschnitte und legt dabei die theoretisch wichtigen Teile der Spätschriften "Über das föderative Prinzip" und der nachgelassenen "Theorie des Eigentums" erstmals in deutscher Übersetzung vor; auf diese Weise gestattet sie dem Leser, sich selbst ein Urteil über die umstrittene Frage zu bilden, inwieweit sich Proudhons Ansichten geändert haben. Sie ist ferner bestrebt, einen Eindruck von der Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten dieses großen Stilisten zu vermitteln, doch stand das Gebot räumlicher Beschränkung der Aufnahme von Briefen, Tagebuchstellen und Leitartikeln entgegen, die erst das Bild vervollständigt hätten. Aus dem selben Grunde mußte sich auch die Einführung auf die Lebensgeschichte Proudhons beschränken - ich hoffe jedoch, daß ich in absehbarer Zeit im zweiten Band meiner Arbeit über "Die großen Sozialisten als Rechts- und Sozialphilosophen" eine Darstellung der Theorie Proudhons vorlegen und in einem weiteren Auswahlband über den Anarchismus auf Proudhons Rolle in dieser so wichtigen Theorie näher eingehen kann. Auch die Beifügung erklärender Anmerkungen schien mir weniger wichtig als Proudhon in größtmöglichem Umfange zu Wort kommen zu lassen, zumal der interessierte Leser insoweit auf die ausgezeichnete neue Gesamtausgabe verwiesen werden, kann, die seit 1923 in Paris bei dem Rivière Verlag erscheint
Diesen Artikel haben wir am 10.02.2018 in unseren Katalog aufgenommen.