. . . die beste Sensation ist das Ewige
Gustav Landauer - Leben, Werk und Wirkung
Herausgegeben von Michael Matzigkeit aus Anlaß der Ausstellung zum 125. Geburtstag Gustav Landauers
Düsseldorf: Theatermuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf, Dumont-Lindemann-Archiv; Droste Verlag, 1997 (2. Auflage) . Engl. Broschur, 349 Seiten, durchgehend illustriert. ISBN: 978-3929945102. [Verlagsfrisches Exemplar aus der Restauflage, inkl. Versandkostenaufschlag von 1,50€, da das Buch sehr schwer ist und als Paket verschickt werden muss].
Beschreibung:
Gustav Landauer, den homme de lettre und revolutionären Geist in seiner Ganzheit verstehen zu wollen, scheint fast aussichtslos. Wer sich dennoch der Herausforderung stellt, stößt auf einen Kosmos von verwirrender Komplexität.
Schon die Zeitgenossen hatten große Schwierigkeiten, sich ein Bild von Gustav Landauer zu machen, das vor der Wirklichkeit standhielt. War er nun tatsächlich der "Idealist", "Feuerkopf", "Schwarmgeist"? Die zahlreichen, völlig widersprüchlichen, schriftlichen Zeugnisse, deren zeitlicher Schwerpunkt in der Revolutionszeit 1918/19 liegt, zeigen die ganze Stimmungsbreite von antisemitischen Anwürfen bis hin zur hemmungslosen Verehrung des Lehrers und "heimlichen Führers". Fast immer wird Gustav Landauer zu einer Projektionsfläche für stark polarisierende, negative wie positive Gefühle, die verhindern, dass echte Wertungen vorgenommen werden können. So spiegeln die kritischen Äußerungen, aber auch die lobenden Würdigungen häufig eher die Seelenlage ihrer Urheber wider, als dass sie für Erkenntnisse in der Sache förderlich wären. (…)
Landauer wollte es seinen Zeitgenossen nicht leicht machen. Seine letztlich fehlende Massenwirksamkeit ist sehr stark auf seinen Anspruch zurückzuführen, dass Denken und kritisch vermitteltes Handeln eine unabdingbare Einheit bilden sollen, dass Denken ohne zu Handeln sinnlos bleibt. Hier bewahrheitet sich eine Sentenz Ernst Simons: "Die Heiligen sind die faulen Ausreden des Gewissens. Der Gerechte ist sein Sporn." Für den, der sich darauf einlässt, wird Gustav Landauer zu einer Herausforderung: eine Herausforderung, die nicht jeder ertragen kann und die Landauer auf tragische Weise das Leben gekostet hat. Dieser "Prophet des Friedens" war in München neben Mühsam und Toller der meistgehasste Mann der Rätezeit. Mit seinem "anderen Blick", seiner "anderen Sicht" der Dinge und Zusammenhänge verlangt er häufige Perspektivwechsel, bietet Reibungsflächen, wird zur Strapaze, wenn er gelegentlich Bildungsvoraussetzungen anmahnt, die auch bei der heutigen geistigen Elite keineswegs Allgemeingut sind. Seine Skepsis gegenüber der Aussagefähigkeit und Wirksamkeit von Sprache, die er an den sprachkritischen Werken seines Freundes Fritz Mauthner geschult hat, beinhaltet gleichzeitig den - sehr modern anmutenden - Verzicht auf ein konzises geistiges System, dem man sein Denken getrost empfehlen kann.
Die neuerlich in Gang gekommene wissenschaftliche Rezeption seines Werkes auf der Basis der Originalquellen, insbesondere aber Studien zu seinem Wirken könnten ein anderes Bild ergeben, als es die bisherige Literatur zum Thema zuließ. Es gilt auch bei Landauer Abschied zu nehmen von tradierten Denkformeln, von Sprachhülsen und eigenen Lieblingsgedanken. Bisher stellen sich mehr Fragen als Antworten. Z.B.: Wie groß war der immer wieder behauptete Einfluss Gustav Landauers auf Teile der expressionistischen Generation, der deutschen und jüdischen Jugendbewegung und auf Teile der kritischen Intelligenz bis hin zu den jüdischen Siedlern der zweiten Generation wirklich?
Die vorliegende Publikation will in konzentrierter, anschaulicher Form durch eine ausgewählte Dokumentation bisher weitgehend unveröffentlichter Quellen einen Anstoß in die vorgezeichnete Richtung geben. Denn nach wie vor gilt die Einschätzung Ernst Simons, der kurze Zeit nach Landauers Ermordung feststellen musste: "[...] schon droht Nebel, sein klares Bild fälschend zu umhüllen. Schon sieht man Gustav Landauer als den Typ des ›reinen Dulders‹ an, wenn man ihm wohl will - als den des ›unpraktischen Schwärmers‹, wenn man ihn fürchtet."
(Aus dem einleitenden Beitrag "Gustav Landauer - Zu Leben, Werk und Wirkung" von Michael Matzigkeit)
- Grußwort des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen [7]
- Ilka Kügler: Zum Geleit [9]
- Michael Matzigkeit: Gustav Landauer - Zu Leben, Werk und Wirkung [11]
- Wolfgang Frühwald: Die Solidarität der Künstler. Zu Gustav Landauers ethischem Anarchismus [19]
- Kindheit, Jugend, Studium [27]
- Rolf Kauffeldt: Gustav Landauer und die Müggelseerepublik. Berlin-Friedrichshagen als kulturrevolutionärer Bezugsort [49]
- Dokumentation [59]
- Winrich Meiszies: "Zur Kunst, zum Leben und zu voller Kultur und Aktion" - Gustav Landauer und die Volksbühne [87]
- Dokumentation [96]
- Heiner M. Becker: Gustav Landauer und die internationale anarchistische Bewegung [107]
- Dokumentation [113]
- Ulrike de Kruijf / Michael Matzigkeit: Fritz Mauthner und Gustav Landauer - eine Freundschaft mit Brüchen [133]
- Dokumentation [141]
- Annegret Walz: "Was ich schrieb, war alles zu Hedwig gesagt". Gustav Landauer und Hedwig Lachmann, eine Lebens- und Künstlergemeinschaft [155]
- Dokumentation [161]
- Bernhard Braun: "...das andere Leben beginnen ...". Die Utopie als Antriebskraft der Revolution [177]
- Dokumentation [181]
- Der Sozialistische Bund (1908-1915) [187]
- Hanna Delf: "Manuskript kann ich dir keines schicken". Gustav Landauer oder: Die freie Rede, ein Stilmittel [205]
- Dokumentation [209]
- Gustav Landauer - Theaterkritiker, Vortragsredner, Dramaturg [219]
- Christine Holste: Gustav Landauer und der Forte-Kreis [235]
- Dokumentation [239]
- Pazifismus - Aktivismus [253]
- Norbert Seitz: Gustav Landauer und die Münchener Räterepublik [267]
- Dokumentation [272]
- Gabriele Ewenz: "...mir fällt der Schatten Landauers auf alle meine Pläne ..." - Zum Verhältnis von Arnold Zweig zu Gustav Landauer [293]
- Dokumentation [301]
- Stimmen zu Gustav Landauer [307]
ANHANG:
- Gustav Landauer - eine Chronologie [330]
- Gustav Landauer - öffentliche Reden und Vorträge [336]
- Gustav Landauer - eine Bibliographie in Auswahl [342]
- Dank [348]
Diesen Artikel haben wir am 11.08.2011 in unseren Katalog aufgenommen.